Vertrauen kommt vor dem Verhandeln

Die Schweiz will ein neues Zuwanderungssystem. Forschungszusammenarbeit und Studierendenaustausch mit der EU sind betroffen. Nun sucht der Bundesrat das klärende Gespräch mit der EU.

Forschung Schweiz EU
?Horizon 2020? ist lanciert. Erste Bewerbungen laufen ¨C auch f¨¹r Forschende in der Schweiz. F¨¹r das zugeh?rige Abkommen mit der EU sucht der Bund intensiv bestm?gliche L?sungen (Bild: ? Scanderbeg Sauer Photography)

Die Schweiz werde nun intensive Gespr?che mit der Europ?ischen Union ¨¹ber die Zuwanderung f¨¹hren, um die Interessen beider Seiten zu kl?ren, sagte gestern der Schweizer Bundespr?sident Didier Burkhalter an einer Medienkonferenz in Bern. Vertrauen sei in der aktuellen Situation f¨¹r die Schweiz wie f¨¹r die EU sehr wichtig; in dieses wolle der Bundesrat in den kommenden Wochen investieren.

Schweizerinnen und Schweizer haben am Wochenende abgestimmt, dass die Schweiz die Zuwanderung von Ausl?nderinnen und Ausl?ndern eigenst?ndig steuern soll. Anstatt der heute geltenden Personenfreiz¨¹gigkeit soll in Zukunft die Zahl der Aufenthaltsbewilligungen durch j?hrliche H?chstzahlen und Kontingente begrenzt werden.

Wie sich diese Verfassungsbestimmung konkret auswirkt und welche Konsequenzen sie im Detail f¨¹r Forschende und Studierende an der ETH Z¨¹rich hat, l?sst sich derzeit noch kaum sagen. Das aktuelle Freiz¨¹gigkeitsabkommen ist eng verzahnt mit anderen Abkommen, die unter anderem den Zugang zu M?rkten oder Bildungs- und Forschungsprogrammen regeln.

Bund will Antworten bis Juni erarbeiten

Didier Burkhalter stellte gestern klar: ?Wir haben keine neuen Zuwanderungsbestimmungen, die sofort anwendbar w?ren.? Und: ?Das Kontingentierungssystem ist noch nicht festgelegt.? Daf¨¹r haben der Bundesrat und das Parlament drei Jahre Zeit.

Das heisst: bestehende Aufenthaltsbewilligungen bleiben g¨¹ltig und die rechtliche Situation f¨¹r Personen, die dank dem Freiz¨¹gigkeitsabkommen in der Schweiz leben, ?ndert vorl?ufig nicht.

Beschlossen hat der Bundesrat am Mittwoch das weitere Vorgehen: Bis Ende Juni will er ein Umsetzungskonzept vorlegen. Dieses dient ihm innenpolitisch als Entscheidungsgrundlage f¨¹r die Gesetzgebung. Den Gesetzesentwurf will er bis Ende 2014 vorlegen. Sollte die Arbeit am Gesetz l?nger dauern, k?nnte er das neue Zuwanderungssystem vor¨¹bergehend auf Verordnungsstufe regeln.

Bundespräsident Didier Burkhalter
Bundespr?sident Didier Burkhalter macht klar: Zuerst werden mit der EU die beidseitigen Interessen gekl?rt, dann wird verhandelt. (Bild: Lukas Lehmann/Keystone)

Zuerst Gespr?che, dann wird verhandelt

Klar ist f¨¹r Didier Burkhalter wie f¨¹r den gesamten Bundesrat, dass im Moment Verhandlungen wenig Sinn machen. Zuerst will der Bund ?exploratorische Gespr?che? f¨¹hren, um ?die offenen Fragen Schritt f¨¹r Schritt zu kl?ren und sich f¨¹r die bestm?glichen L?sungen einsetzen, sowohl innen- wie auch aussenpolitisch?, sagte Burkhalter. ?ber welche Abkommen danach mit der EU wann und wie verhandelt wird, dazu kann er derzeit keine Aussage machen, denn dies k?nne die Schweiz nicht allein entscheiden.

Wer zur Beteiligung der Schweiz an ?Horizon 2020?, dem Rahmenprogramm der EU f¨¹r Forschung und Innovation, von Burkhalter Detailangaben erwartete, wurde ebenfalls auf sp?ter verwiesen. Er erinnerte daran, dass gerade das Forschungsabkommen auch f¨¹r die EU von Interesse sei, ?denn die Schweiz ist ein Motor f¨¹r Forschung, Bildung und Innovation in Europa.?

?Horizon 2020?: Abkommen sicherstellen

Damit sich Forschende in der Schweiz mit allen Rechten an ?Horizon 2020? beteiligen k?nnen, muss der Bund das entsprechende Assoziierungs-Abkommen f¨¹r Forschungsprogramme erneuern: Geplant war, dass sich die Schweiz ¨C wie seit 2004 ¨¹blich - mit 4,4 Milliarden Franken als assoziiertes Mitglied am ?Horizon 2020? -Paket beteiligen wird. Ohne ein solches Abkommen m¨¹sste die Schweiz wohl von Fall zu Fall L?sungen finden, sagte Burkhalter, warnte aber vor voreiligen Schl¨¹ssen.

Eine Frage, die der Bund und die EU beantworten m¨¹ssen, betrifft die Verbindung von Personenfreiz¨¹gigkeit und Forschungszusammenarbeit: Da Forschungsprogramme ¨¹ber das Forschungsabkommen mit den Bilateralen und dem Freiz¨¹gigkeitsabkommen direkt verkn¨¹pft sind, hat die EU in den Raum gestellt, dass die Schweiz die Personenfreiz¨¹gigkeit auf Kroatien ausdehnen muss, wenn sie ¨¹ber die Beteiligung an ?Horizon 2020? verhandeln will.

Johann Schneider-Ammann Johann Schneider-Ammann und Máire Geoghegan-Quinn
Im Januar stellten Forschungsminister Johann Schneider-Ammann und EU-Wissenschaftskommissarin M¨¢ire Geoghegan-Quinn ?Horizon 2020? vor: Nun muss der Bundesrat nochmals ¨¹ber die B¨¹cher. (Bild: Gaetan Bally/SBFI)

Dieses Abkommen zu Kroatien hat der Bundesrat am Mittwoch jedoch aufgrund der neuen Verfassungsbestimmung nicht ratifiziert. Zuerst muss er kl?ren, ob er das gesamte Freiz¨¹gigkeitsabkommen neu zu verhandeln ist, oder ob er die Freiz¨¹gigkeit mit Kroatien vorg?ngig regeln soll und kann und welche Anpassungen so ¨¹berhaupt m?glich sind.

Vergleichbar ist die Situation bei den EU-Bildungs- und Jugendprogrammen, an denen die Schweiz als assoziiertes Mitglied seit 2011 teilnimmt. Auch beim europ?ischen Programm f¨¹r allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport, ?Erasmus+?, hatten der Bundesrat und die Parlamentsmehrheit bis heute die nahtlose Weiterf¨¹hrung angestrebt.

ETH arbeitet an L?sungen

Die Schulleitung der ETH Z¨¹rich und die direkt betroffenen Fachbereiche sind sich der unklaren Situation sehr bewusst ¨C unter ihnen sind zum Beispiel EU GrantsAccess, die Informations- und Beratungsstelle f¨¹r Forschende, die sich f¨¹r EU-Forschungsprogramme bewerben wollen, oder die Mobilit?tsstelle und der International Student Support, die Studierende aus dem Ausland begleiten.

Sie halten sich bereit, intensiv und in engem Austausch mit den zust?ndigen externe SeiteStellen beim Bund an L?sungen zu arbeiten, um die Forschungszusammenarbeit und den Studierendenaustausch mit Europa gezielt weiterzuf¨¹hren. In einer E-Mail wandte sich Roland Siegwart, Vizepr?sident Forschung und Wirtschaftsbeziehungen, an die ETH-Forschenden und empfahl ihnen, vorderhand und mit Engagement weiter an Projektantr?gen f¨¹r ?externe SeiteHorizon 2020? und ?externe SeiteERC Grants? zu arbeiten.

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